Gelebte Erinnerungskultur am Ernestinum und der Aufruf zum Frieden

Durch gleich zwei Veranstaltungen, die im Rahmen des 80. Jahrestages zur Befreiung des Lagers Bergen-Belsen stattfanden, konnten Ernestiner aktiv Erinnerungskultur (er)leben.

Ein erinnerungswürdiges Wochenende sollte der 25.-27.04. für einige Schülerinnen und Schüler des Ernestinums werden. Am Freitag besuchte die 87-jährige Elisabeth Seaman die Schule und sprach mit dem 10. Jahrgang. Die heutige Amerikanerin war für die Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Befreiung Bergen-Belsens nach Celle gekommen und gerne zu einem Gespräch bereit. Sie stammt aus einer deutsch-jüdischen Familie und überlebte im Alter von sieben Jahren Bergen-Belsen zusammen mit ihrer Mutter. Ihr Vater und ihre Großeltern starben in Konzentrationslagern.

In ihrer offenen und ehrlichen Art sprach sie zum einen über ihre Erinnerungen an die NS-Zeit. Sie berichtete von der Auswanderung der Eltern in die Niederlande, die Verhaftung der Großeltern, die eigene Verhaftung und schließlich von den wenigen Erinnerungen aus ihrer Kindheit in Bergen-Belsen, von Hunger, Kälte, Gewalt und Tod.

Sie sprach zum anderen auch darüber, dass sie es im Nachhinein bereue, ihre Mutter nie nach ihren Erlebnissen im Lager gefragt zu haben. Ihre Worte machten deutlich, wie schwer es sein kann, mit der eigenen Geschichte umzugehen – und wie wichtig es ist, sich dennoch mit ihr auseinanderzusetzen.

Ein zentrales Anliegen Frau Seamans war, die Jugendlichen zum Nachdenken anzuregen und ihnen zu vermitteln, wie bedeutend die Erinnerung an das Geschehen für die Zukunft ist. Sie betonte, dass die Vergangenheit sich nie wiederholen dürfe und dass Begegnungen wie diese dazu beitragen können, Vorurteile abzubauen und eine Klarheit über die Schrecken der Vergangenheit zu schaffen. Besonders war am Ende ihr Appell, anderen Menschen offen, freundlich und unvoreingenommen zu begegnen. Nur so, sagte sie, könne man Missverständnisse, Konflikte und letztendlich auch Gewalt vermeiden. Das Gespräch war nicht nur ein Blick in die Geschichte, sondern auch ein Aufruf zu mehr Miteinander im Hier und Jetzt. Sie endete mit dem Wunsch, dass jeder aktiv für Frieden einstehen könne und solle.

Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich sehr interessiert und bewegt. Nach der Veranstaltung wurde Frau Seaman noch von einigen umringt, die sich persönlich mit ihr unterhielten und sich für das Gespräch bedankten. „Es war bewegend sie zu sehen und von ihr ihre Geschichte zu hören“, urteilte im Anschluss eine Schülerin.

Wie aktiv und interessiert Schülerinnen und Schüler des Ernestinums in Sachen Erinnerungskultur sind, zeigte sich auch am darauffolgenden Sonntag. Hier waren einige Freiwillige des 10. und 12. Jahrgangs Teil der offiziellen Gedenkzeremonie zum 80. Jahrestag der Befreiung des Lagers Bergen-Belsen. Sie nahmen an der Zeremonie teil, trugen für Politiker, Diplomaten und Überlebende zum Gedenken an die Toten Kränze zum Mahnmal und traten am Abend in Austausch mit einem britischen Zeitzeugen und jungen britischen Soldaten der britisch-jüdischen Organisation AJEX. Als Resümee stand für die Schülerinnen und Schüler fest, dass es sehr bewegend und aufregend war, der Zeremonie beizuwohnen und aktiv teilzunehmen. So bekäme Geschichte auch für die eigene Zukunft einen anderen Sinn.

Geschrieben von Saffana Meriane 10F und Sabrina Barking